20. Dezember 2024
An klaren Tagen kann ich bis zum Glück sehen.
Ich muss nur ein wenig zur Seite gehen.
Ein Schritt aus dem Schatten, dann geht mein Blick weit,
In Wahrheit und Klarheit und Dankbarkeit.
Vor mir liegt wie eine Landschaft mein Leben,
Höhen und Tiefen, zerklüftet und eben.
Nichts ist verborgen, nichts ist geschönt,
Keine Rechnung offen, mit allen versöhnt.
Alles ist gut, nichts, das ich entbehr,
Alles ist leicht – was will ich mehr?
Will schiffbrüchig in deinen Armen versinken,
Ein König in Thule noch Lebensglut trinken,
Den Becher leern, wenn die Dämmerung fällt,
In Einklang mit dir und mit Gott und der Welt.
Wir verliern uns ja nie, wir sind doch unsterblich,
Du weißt ja, Unsterblichsein ist bei uns erblich.
Haben wir nicht schriftlich die Garantie?
Es heißt ja, die Liebe endet nie. Du weißt ja, die Liebe endet nie!
Heimathafen, in den ich heimkehr,
In deinem Schoß schlafen – was will ich mehr?
Ich will an einem klaren Tage
Im Goldenen Hahn noch ein Gelage
Mit Wein und Schmaus und Saitenspiel,
Und Mutter soll sagen: Junge, trink nicht so viel!
Dann will ich verzückt hinten überschlagen
Aus Lebenslust und aus Wohlbehagen,
Wenn zwei tätowierte Retter mich aus
Der Wirtschaft tragen, die Füße voraus,
Solln sie auf dem Weg zum Rettungswagen
Stolpern und mit einem Lachen sagen:
„Tut uns leid, wir konnten nichts mehr für ihn tun.
Möge der Zecher in Frieden ruhn.“
Übers Pflaster rollt klingend mein Becher – leer,
Ich hab alles gehabt – was will ich mehr!
Aus „Das Haus an der Ampel“, 2020
Foto © Privat