27. Mai 2024
Rüm Hart
Er spült die Teller im „Südwesterhaus“ in Wenningstedt.
Weiß gar nicht, wann ich den ersten Blick aufgefangen habe.
Vielleicht ein Lächeln überm vollbeladenen Tablett,
Meist siehst du ja nur die schwarzen Hände bei der Tellerrückgabe.
Sie sagen Johnson zu ihm und morgens treff ich ihn manchmal
Beim Laufen zwischen Westerheide und Klappholttal.
Da kommt er mir schlingernd auf sandigen Wegen
Mit seinem alten klapprigen Fahrrad entgegen.
Ich sage „Djambo Johnson“, er sagt „Moin Moin, Mister“,
Ob es stürmt oder schüttet, oder grad über der Lister
Düne stahlbau der Himmel aufklart,
Ist er
Mit einem Lächeln immer auf großer Fahrt:
Klaar Kiming, rüm Hart! *)
Er sagt, der Job ist in Ordnung, er kommt klar mit dem Geld.
Er hat das Fahrrad und in Mellhörn sein eignes, kleines Zimmer.
Er sagt, die Küche ist der beste Platz auf der Welt
Und die Leute sind nett, also fast alle und fast immer.
Manchmal kuckt er durch die Durchreiche – das soll’n sie zwar nicht –
Auf die weißgedeckten Tische mit dem Kerzenlicht.
Und von den halbvollen Tellern, die die Mädchen abräumen,
Spült er fort, wovon sie zuhause alle nur Träumen.
Ich sage „Djambo Johnson“, er sagt „Moin Moin, Mister“,
Ob es stürmt oder schüttet, oder grad über der Lister
Düne stahlbau der Himmel aufklart,
Ist er
Mit einem Lächeln immer auf großer Fahrt:
Klaar Kiming, rüm Hart!
Der Wind treibt Regen her von See und Wolken schwer und grau.
Er hat die bunte Wollmütze tief ins Gesicht gezogen.
Er sagt, die Leute hier haben in ihren Augen das Blau,
Das ihrem Himmel so oft fehlt und dem Meer und den Wogen.
Manchmal sitz ich neben ihm im Bambushäuschen im Lee,
Hör ihm zu, wenn er von seinem Dorf erzählt und seh
Uns beide unterm Baum in der Savanne sitzen
Und seinem kleinen Bruder einen Mercedesstern schnitzen.
Ich sage „Djambo Johnson“, er sagt „Moin Moin, Mister“,
Ob es stürmt oder schüttet, oder grad über der Lister
Düne stahlbau der Himmel aufklart,
Ist er
Mit einem Lächeln immer auf großer Fahrt:
Klaar Kiming, rüm Hart!
Er ist nicht fremd hier und ist dennoch verlor’n irgendwo
Zwischen Cafés und Containern, Bistros und Juwelieren.
Die blonde Frau, die manchmal hersieht, meint das nicht wirklich so,
Und immer Angst, es stimmt was nicht mit den Papieren.
Manchmal seh ich ihn spät in der Telefonzelle stehn,
Dann kann ich in seinen Augen so ein Leuchten sehn,
Als könnte er von fern die Stimmen seiner Ahnen hören,
Die ihn in der Inselnacht „Hey Johnson, du schaffst das!“ beschwören.
Ich sage „Djambo Johnson“, er sagt „Moin Moin, Mister“,
Ob es stürmt oder schüttet, oder grad über der Lister
Düne stahlbau der Himmel aufklart,
Ist er
Mit einem Lächeln immer auf großer Fahrt:
Klaar Kiming, rüm Hart!
*) Rüm Hart klaar Kiming ≈ Großes Herz, freier Horizont
Friesischer Leitspruch auf Söl’ring
**) Uyele le hi nkinga, lento hi nkinga bakithi ≈ Das Leben kann so schwer sein!
Ndixhe le ni qumbele n toni ≈ Warum bist du so traurig?
Hai! Sukuma ≈ Steh auf!
Ka u vuye ≈ Tanze, sei froh!
Auf Xhôsa, Südafrika
Aus „Rüm Hart“ 2002
Foto © Hella Mey