18. Februar 2023
Dem einen ist meine Nase
Zu weit links im Gesicht,
Zu weit rechts erscheint sie dem anderen
Und das gefällt ihm nicht,
Und flugs ergreift das Wort der Dritte
Und der bemerkt sodann:
„Sie sitzt zu sehr in der Mitte“
Und ich sollt‘ was ändern daran,
„Sie sitzt zu sehr in der Mitte“
Und ich sollt‘ was ändern daran.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat
Und schweig‘ fein still
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.
Die einen hör‘ ich sagen,
Ich sei der alte nicht mehr
Und wieder andere sich beklagen,
Dass ich noch der alte wär‘,
Und dann sagt ein Musikkritiker,
Dem’s an Argumenten gebricht:
„Sie war’n doch früher einmal dicker“
Und da widersprech‘ ich ihm nicht,
„Sie war’n doch früher einmal dicker“
Und da widersprech‘ ich ihm nicht.
Und bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat
Und schweig‘ fein still
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.
„Am Hungertuch zu nagen
Ist des Künstlers schönstes Los“.
„Im Gegenteil, so prunkvoll
Wie ein Papst sein macht ihn groß“.
Das alles sei Hose wie Jacke,
Ob Schulden, ob Geld auf der Bank,
„Hauptsache ist, er hat ’ne Macke
Und nicht alle Tassen im Schrank“,
„Hauptsache ist, er hat ’ne Macke
Und nicht alle Tassen im Schrank“.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat
Und schweig‘ fein still
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.
Dem Einen ist meine Hose
Schon längst zu abgenutzt.
Dem Anderen wieder bin ich
Zu prächtig rausgeputzt.
Der Dritte hat was gegen Westen
Doch einen Rat für mich bereit:
Ich gefiele ihm am allerbesten
Im langen Abendkleid,
Ich gefiele ihm am allerbesten
Im langen Abendkleid.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat
Und schweig‘ fein still
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.
Mit großer Freude sägen
Die einen an meinem Ast,
Die andern sind noch am überlegen
Was, ihnen an mir nicht passt.
Doch was immer ich auch tun würde,
Deren Gunst hätt‘ ich längst verpatzt,
Also tu‘ ich, was ein Baum tun würde,
Wenn ein Schwein sich an ihm kratzt,
Also tu‘ ich, was ein Baum tun würde,
Wenn ein Schwein sich an ihm kratzt.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat
Und schweig‘ fein still
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.
Es gibt noch ein paar Leute,
Und an die hab‘ ich gedacht,
Für die hab‘ ich meine Lieder
So gut es ging gemacht,
Die beim großen Kesseltreiben
Nicht unter den Treibern sind,
Und solang‘ mir ein paar Freunde bleiben
Hängt meine Fahne nicht im Wind,
Und solang‘ mir ein paar Freunde bleiben
Hängt meine Fahne nicht im Wind.
Und ich scher‘ mich den Teufel um Goliath
Und schweig‘ fein still,
Habt Dank für das achtel Lorbeerblatt,
Auf dem ich tun kann, was ich will.
Aus „Mein achtel Lorbeerblatt“, 1972
Foto © Hella Mey